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Raumplanung: Nationalrat schafft kommunalen Wildwuchs bei Mehrwertabgaben

15.06.2023

Statt einer Klärung der Rechtslage hebelt der Nationalrat die kantonale Regelungshoheit für die Mehrwertabgaben aus. Gemäss Bundesrecht müssen die Kantone bereits nach geltendem Recht bei Neueinzonungen eine Mehrwertabgabe erheben. Für Auf- und Umzonungen macht der Bund den Kantonen keine Vorschriften. Neu will der Nationalrat jedoch die Gemeinden dazu ermächtigen, das kantonale Recht zu «übersteuern». Der HEV Schweiz lehnt diesen Durchgriff ab und hofft, dass der Ständerat korrigiert. Auch die Beschränkung des neuen Planungsansatzes auf Berggebiete ist nicht sachgerecht. Dieses Planungsinstrument für bessere Gebietslösungen ausserhalb der Bauzonen muss allen Kantonen zustehen.

 

Mit der ersten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG1) im Jahr 2012 hatte der Gesetzgeber eine Ergänzung von Art. 5 RPG betreffend Ausgleich planerischer Mehrwerte vorgenommen. Der vorbestehende allgemeine Grundsatz, welcher den Ausgleich bzw. die Entschädigung von erheblichen planerischen Mehr- und Minderwerten vorschreibt, wurde durch einen neuen Absatz ergänzt und konkretisiert. Die Ergänzung verpflichtete die Kantone, bei Neueinzonungen eine Abgabe von mindestens 20% des Mehrwertes zu erheben. Bei Auf- und Umzonungen wurde bewusst auf eine Bundespflicht verzichtet. Damit dem Verdichtungsgedanken zum Durchbruch verholfen wird, sollte eine Um- oder Aufzonung auch ohne Mehrwertabgabe erfolgen können. Das war der klare Wille des Bundesgesetzgebers und daran haben sich in den letzten Jahren auch die Kantone und Gemeinden bei der Umsetzung der Raumplanungsrevision orientiert. Je nach konkreten Umständen und Bedürfnissen in den Kantonen wurden unterschiedliche Regelungen getroffen. Es gibt Kantone, die für das ganze Gebiet eine einheitliche Regelung verabschiedet haben und es gibt Kantone, welche die Kompetenz zur Abgabeerhebung den Gemeinden voll oder in einem gewissen Umfang delegiert haben. Ein neuerer Entscheid des Bundesgerichts zur Auslegung des Bundesrechts führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit.

Nationalrat übergeht das kantonale Recht

Als Folge des Bundesgerichtsentscheides hatte der Ständerat im Rahmen der aktuellen 2. Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes eine Ergänzung zur Klarstellung eingefügt. Danach schreibt der Bundesgesetzgeber den Kantonen die Erhebung einer Mehrwertabgabe nur bei Neueinzonungen vor, nicht aber bei Auf- und Umzonungen. Der Nationalrat hat diese Regelung bestätigt. Er hat die klare kantonale Regungskompetenz jedoch durch eine Ergänzung zunichte gemacht. Wenn das kantonale Recht ausdrücklich die Erhebung der Mehrwertabgabe bei Auf- und Umzonungen ausschliesst, können die Gemeinden das kantonale Recht übersteuern und eigene Regelungen schaffen. Damit desavouiert der Nationalrat die kantonale Kompetenz in der Raumplanung. Der HEV Schweiz lehnt dies entschieden ab. Es gilt zu bedenken, dass im umgekehrten Fall planerische Minderwerte durch Abzonungen sowie durch Umzonungen von den Eigentümern weitgehend entschädigungslos akzeptiert werden müssen.

Die Schweiz ist kein Einheitsbrei – mehr Gestaltungskompetenz für die Kantone

Der HEV Schweiz trägt den neuen Stabilisierungsgrundsatz für Gebäude im Nichtbaugebiet und die Bodenversiegelung im Landwirtschaftsgebiet mit. Es ist für den HEV Schweiz sodann unerlässlich, den Kantonen mehr Gestaltungsspielraum für die Planung im Gebiet ausserhalb der Bauzonen einzuräumen. Der HEV Schweiz unterstützt daher den neuen Planungs- und Kompensationsansatz. Unter Wahrung des Grundsatzes der Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet kann ein Kanton damit in einem klar begrenzten Gebiet eine bessere Gesamtlösung schaffen. Der Nationalrat will nun aber diesen Planungs- und Kompensationsansatz auf die Berggebiete beschränken. Dies macht aus Sicht des HEV Schweiz keinen Sinn und würde neue Abgrenzungsprobleme schaffen. Dieses Planungsinstrument muss als freiwillige Option ALLEN Kantonen zur Verfügung stehen, wie dies auch der Ständerat vorsah. Die Herausforderungen an eine zukunftsgerichtete Planung des Raums sind im dichtbesiedelten Mittelland mindestens so gross wie im Berggebiet.